Die Bandbreite des Bewusstsein
Wahrnehmung und die Bandbreite des Bewusstsein. Die Forschung zur bewussten Wahrnehmung kann seit rund 50 Jahren auf vielfältige und gesicherte Ergebnisse zurückgreifen. Ein überraschendes Resümee hierzu zieht Manfred Zimmermann, Professor am Physiologischen Institut der Universität Heidelberg in seinem 880 Seiten starken medizinischen Lehrbuch: »Physiologie des Menschen«. In dem Kapitel »Das Nervensystem – nachrichtentechnisch gesehen« lautet seine Aussage: »Unsere bewusste Wahrnehmung beschränkt sich also auf einen winzigen Ausschnitt der über die Sinnesorgane aufgenommenen Informationsfülle aus der Umwelt.«
In einem anderen Lehrbuch beendet er ein Kapitel zur gleichen Thematik mit den Worten: »Daraus lässt sich schließen, dass der maximale Informationsfluss einer bewussten Sinneswahrnehmung bei 40 bit/Sek. liegt, also viele Größenordnungen unter dem, was die Rezeptoren aufnehmen. Unsere Wahrnehmung beschränkt sich also auf einen winzigen Ausschnitt der im peripheren Nervensystem aufgenommenen Informationsfülle aus der Umwelt.«
Das Buch »Spüre die Welt« (1994) von dem Wissenschaftsjournalist Tor Nørretranders ist die Grundlage dieses Textes. Nørretranders weist darauf hin, daß erstaunlich viele Lehrbücher der Physiologie und Neuropsychologie diese Tatsache unerwähnt lassen. Doch beginnen wir am Anfang, denn für Themenunkundige erschließt sich die hinter diesen Aussagen liegende überraschende Erkenntnis erst bei genauerer Erläuterung.
Was ist ein »Bit«?
Unter einem »Bit« wird in der Bewusstseinsforschung die kleinstmögliche Informationseinheit verstanden. Die Begriffs-Definition geht auf Claude Shannon zurück, der als Ingenieur in den Bell Labaratories der amerikanischen AT&T Telephongesellschaft arbeitete. Er untersuchte Probleme bei der Übertragung von Nachrichten in Form elektronischer Signale und hatte zu spezifizieren, was dazu erforderlich ist, eine bestimmte Information über eine bestimmte Verbindung (z.B. Telephongespräch oder Telegramm) zu übertragen. Das Ergebnis seiner Forschung liegt im wesentlichen in der Erkenntnis, daß eine Mitteilung zur fehlerfreien Übertragung über eine genügend große Bandbreite verfügen muß. Die Bandbreite drückt die Kapazität eines Kommunikationskanals aus, Informationen, die in bit/Sek. gemessen werden, zu übermitteln. Für Shannons Arbeitsbereich bedeutet dies, daß (damals) ein Telefon 4.000, ein Radio rund 16.000 und ein Fernsehgerät sogar 4.000.000 bit/Sek. übertragen kann.
Der menschliche »Input«
Auch wir Menschen verfügen über »Kommunikationskanäle«: unsere Sinnesorgane. Sie sind die »Empfangseinheiten«, die die aus der Umwelt aufgenommenen Informationen an das Gehirn weiterleiten. Die Berechnung der Größenordnungen ist relativ einfach und unstrittig, denn von jedem Organ läßt sich die Anzahl der Rezeptoren ermitteln: die Sehzellen des Auges, die Geschmacksknospen der Zunge, die druckempfindlichen Stellen der Haut, etc. Weiter liegen die Anzahl der Nervenverbindungen, die die Signale ins Gehirn leiten vor und es ist bekannt, wie viele Signale jede dieser Bahnen in der Sekunde übermittelt.
Die zustande gekommenen Daten sind überwältigend. So gibt Tor Nørretranders in seinem Buch »Spüre die Welt« folgende Werte an:
Demnach gelangen in jeder Sekunde über 11 Mio. Bits an Information über die Sinnesorgane in unser Gehirn!
Sinnesorgan Bandbreite (bit/Sek.)
Augen 10.000.000
Haut 1.000.000
Ohren 100.000
Geruch 100.000
Geschmack 1.000
Das Bewusstsein und seine Verarbeitungsfähigkeit
Das solche Informationsmengen jedes menschliche Gehirn überfordern würden, wenn sie bewusst verarbeitet werden müssten, sollte sofort einleuchten. Aber was kann unser Bewusstsein »verkraften«? Auch hierzu gibt es die schon erwähnten langjährigen Forschungs-Ergebnisse, die Zimmermann mit rund 40 bit/Sek. angibt. Die Bandbreite schwankt natürlich, so finden wir bei dem Psychologe “Georg A. Miller” die Faustformel von 7 ± 2 bits/Sek. und der Ingenieur “Karl Küpfmüller” (damals Prof. an der Technischen Hochschule Darmstadt) vermutete in den 1950/60 Jahren: »Alle an der Nachrichtenverarbeitung im menschlichen Organismus beteiligten Instanzen scheinen auf diese obere Grenze von etwa 50 bit/Sek. eingerichtet zu sein.«
Doch einige Bits mehr oder weniger sollen uns nicht weiter interessieren, denn faszinierend ist vor allem die Diskrepanz zwischen den über die Sinnesorgane aufgenommenen Informationen und den vom Bewusstsein letztendlich verarbeiteten. Der Physiologe Dietrich Trincker brachte es während eines 1965 anläßlich des dreihunderjährigen Bestehens der Universität Kiel gehaltenen Vortrages auf die nützliche (und nüchterne) Faustregel: In den Kopf gelangen eine Millionmal mehr Bits, als das Bewusstsein erfasst.
Unser Bewusstsein erfasst nur ein Millionstel
Und weil es so wichtig ist, nocheinmal ausführlich: »Von aller Information, die pro Sekunde von den Sinnesorganen her unserem Gehirn zufließt, gelangt nur ein sehr geringer Bruchteil in unser Bewusstsein: Das Verhältnis der Kanalkapazitäten von Perception [sinnliche Wahrnehmung] zu Apperception [bewusste Wahrnehmung] entspricht bestenfalls dem von 1.000.000 : 1«, schreibt Trincker. »D.h. nur ein Millionstel dessen, was unsere Augen sehen, unsere Ohren hören und die übrigen Receptoren melden, erscheint in unserem Bewusstsein.«
»Bildlich gesprochen«, fährt er fort, »ist unser Bewusstsein einem Bühnen-Scheinwerfer („spot light“) vergleichbar, der das Gesicht eines einzigen Schauspielers grell erleuchtet, während sich alle übrigen Personen, Gegenstände und Kulissen eines riesigen Bühnenraumes im tiefsten Dunkel befinden. Der Scheinwerfer kann gewiss wandern, aber es würde sehr lange dauern, bis er uns, eines nach dem anderen, sämtliche Gesichter des im Dunkeln verharrenden Chores enthüllt hätte. Diese erst seit kurzem bekannte Tatsache hat selbstverständlich für alle Bereiche des menschlichen Lebens grösste praktische Bedeutung.«
Und mit diesem Bild hat Trincker auch die Fähigkeit des Bewusstseins angedeutet, die uns die geringe bewußte Datenverarbeitung nicht erkennen läßt. Nørretranders schreibt hierzu: »Da das Bewusstsein blitzartig von einem Gegenstand zum nächsten wechseln kann, wird seine Bandbreite nicht als begrenzt empfunden. In diesem Augenblick ist man sich der Enge seines Schuhzeuges bewußt, im nächsten der Ausdehnung des Universums. Eine einzigartige Gewandheit ist für das Bewusstsein kennzeichnend. Doch ändert dies nichts an der Tatsache, daß wir uns in einem gegebenen Augenblick nicht sehr vieler Dinge bewusst sein können.«
Dieses Wissen revolutioniert nicht nur die objektive Wahrnehmung des Menschen sondern beeinflusst massgeblich das zukünftige Handeln und vor allem das lernen. Indem wir subbewusste Lernvorgänge analysieren, können wir die art des Wissensmanagements revolutioniert und die Art zu lernen von Grund auf optimieren und Gehirngerechter gestalten. Da wir Tag für Tag, immer mehr verstehen lernen, wie unser Gehirn Informationen verarbeitet und speichert ist der Weg in ein effizienteres Wissensmanagement geebnet.
Ein spezieller Dank hierbei gilt “Yvonne van Dyk” durch diese ich auf diesen höchst interessanten Artikel gestossen bin.
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